Diagnosekrimi

BMW E36 compact: Das Schiebedach-Problem

Diagnosekrimi
11.09.2018

Aktualisiert am 19.10.2023
Können Online-Foren und Do-It-Yourself-Videos bei der Suche nach mysteriösen Defekten helfen? Manche Kfz-Techniker schwören darauf, andere lehnen diese Recherche-Art ab. Wir überprüfen die Qualität der gebotenen Infos an einem konkreten Beispiel.

Das Schiebedachproblem – kaum ein Besitzer eines BMW E36 aus den 1990er Jahren bleibt davon verschont. So auch nicht der Autor dieser Zeilen, dessen 24 Jahre alter 316i Compact sich eines Tages weigert, die Durchreiche zum Sommerhimmel freizugeben. Der Druck auf den Kippschalter vor dem Rückspiegel bleibt folgenlos, das elektrische Schiebedach rührt sich keinen Millimeter. Nach fünf Minuten Fahrt ein neuer Versuch, und plötzlich geht die Luke auf und zu, als wäre nichts gewesen. Lästig allerdings, dass sich das Spielchen ab nun regelmäßig wiederholt - Frischluft von oben bleibt Glückssache.

Kein haltbarer Zustand in einem Youngtimer, dessen Klimaanlage nur aus zwei Kurbelfenstern und eben diesem Schiebedach besteht – ein Werkstatttermin ist daher schnell ausgemacht. Die Zeit bis dahin wird genutzt, um die Ursache des Fehlers zumindest theoretisch einzugrenzen.

Und siehe da – in einschlägigen Online-Foren wird genau jene Schiebedach-Problematik von einigen Leidensgenossen diskutiert. Auch Lösungsvorschläge gibt es, und auf Youtube führen zwei junge deutsche Bastler vor, wie man die Sache mit ein wenig Geschick selbst in die Hand nehmen kann.

Mein Ehrgeiz sowohl als Reporter als auch als Bastler ist geweckt – die Sache gehört überprüft.

  • Flo und sein Kumpel, die sich auf ihrem Youtube-Kanal „Autonerds“ nennen, beginnen mit der Demontage der Kunststoffabdeckung unter dem Lenkstock.
    Obwohl im Video am Armaturenbrett einer E36-Limousine hantiert wird, lässt sich die Abdeckung auch beim Compact durch Herausdrehen von sechs Kreuzschlitzschrauben einfach entfernen.
  • Zugegeben, der Kabelsalat dahinter ist erst einmal nur verwirrend, doch zum Glück ist die Youtube-Videoanleitung recht präzise.
  • Die „Autonerds“ haben das so genannte Komfortrelais als möglichen Verursacher des Schiebedachproblems ausgemacht – ein elektronischer Bauteil, der glücklicherweise mit hellblauem Plastikgehäuse aus dem Kabelsalat hervorblitzt.
  • Die Demontage gelingt durch Herausziehen des Steckers, das Relais landet auf dem Basteltisch.
    Das Gehäuse wird mit einem Schlitzschraubenzieher geöffnet und die kleine Platine mit der Unterseite nach oben in einen Schraubstock eingespannt, der sonst für den Modellbau verwendet wird.
  • Nun werden die Lötstellen mit der Lupe untersucht, und tatsächlich fällt eine davon mit ungleichmäßig gezackten Rändern auf – im Fachjargon eine typische „kalte Lötstelle“.
  • Mit einer kleinen Lötstation und einem Tropfen Lötzinn wird das etwa zwei Millimeter kleine Areal nachgelötet – fertig.

Nun wird es spannend, denn laut „Autonerds“ sollte das Problem damit behoben sein.

Der Einbau gelingt mühelos in umgekehrter Reihenfolge, dann das Einschalten der Zündung, der Druck auf den Kippschalter – Bingo! Schiebedach auf – Schiebedach zu – die Elektrik gehorcht wieder auf Knopfdruck, der Fehlerteufel hat sich verzogen.

Wichtiger Hinweis

Dieser Diagnosekrimi soll keineswegs Autobesitzer dazu verleiten, bei jedem Defekt gleich selbst den Schraubenzieher zu zücken – schließlich lässt sich bei Autos ab etwa Baujahr 2005 selbst eine Schiebedachreparatur nicht mehr ohne Reset eines Steuergerätes durchführen.

Rund um die weitgehend noch Elektronik-freien Youngtimer aus den 1990er Jahren existiert aber eine rege Bastlerszene, die ihre Erfahrungen mit den typischen Schwächen ihrer teils kultisch verehrten Blech-Lieblinge vorzugsweise online austauscht. Kommt also ein Youngtimer in die Werkstatt, lohnt sich auch für den Kfz-Techniker bei der Suche nach versteckten Fehlern eine Recherche im Internet. Vor allem die häufigen Defekte an elektrischen Anlagen folgen gerne einem bestimmten Muster. Meist erweist sich ein bestimmtes Kabel, ein Schalter, oder eben eine Lötstelle als das schwächste Glied der Kette und gibt zuerst den Geist auf. Keine Frage, eine konventionelle Fehlersuche inklusive Durchmessen aller Leitungen sowie dem eventuellen Austausch von Sicherungen, Schaltern oder Kabeln wäre im konkreten Fall deutlich aufwändiger gewesen.